Der Beiname der Sonate in f-moll op. 57, „Appassionata“ – „die Leidenschaftliche“ – wurde erst 1838 von einem Hamburger Verleger erfunden. Beethoven arbeitete 1804 und 1805 an der Sonate, veröffentlicht wurde sie allerdings erst 1807 in unmittelbarer Nachbarschaft zu einigen von Beethovens bis heute populärsten Werken, etwa den Symphonien Nr. 3-6, dem vierten Klavier- und dem Violinkonzert. Mit der fünften Symphonie hat sie das berühmte Klopfmotiv (im ersten Satz) gemeinsam, das häufig als Symbol für das Ausgeliefertsein des Individuums an ein übermächtiges Schicksal gedeutet wird. Anders als in der sogenannten Schicksalssymphonie führt die Entwicklung in der Appassionata aber nicht „per aspera ad astra“ – durch das Dunkel zum Licht – sondern verliert sich im dämonischen Taumel einer exaltierten Schlussstretta, in der der leidende Mensch im Strudel der Ereignisse endgültig untergeht. So gedeutet ist die Appassionata eine gänzlich unheroische, eine zutiefst pessimistische Musik. Angesichts der radikalen Subjektivität im Ausdruck ist diese Sonate besonders häufig semantisch gedeutet worden, schon ein zeitgenössischer Musikkritiker beschrieb sie als „Aufschrei der Angst“ und „Sturm der Seele“, eine autobiographische Deutung liegt natürlich nahe, ist aber nicht konkretesierbar. Dabei zwingt Beethoven diesen formsprengenden Ausdruck radikaler Subjektivität  trotzdem – oder gerade deswegen – in das Gerüst der hier besonders streng angewandten klassischen Form. Gerade die äußerlichen Normalitäten scheinen die Funktion eines mühsam errungenen, stabilisierenden Außenhalts gegenüber den Eruptionen im Inneren zu erfüllen.